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Nur die Harten kommen in den Garten - aber wer zum Teufel will eigentlich in diesen Garten?

 

Nur die Harten kommen in den Garten –

aber wer zum Teufel will eigentlich in diesen Garten?

 

Oh, wie ich die Diskussion liebe! Blogs und Rezensionen sind voll damit. Sie überschlagen sich beinahe. Hauptthema: Die Protagonistin ist nicht stark genug. Gähn! Wann gibt es eigentlich mal wieder ein neues Thema, über das man sich echauffieren kann?

 

Ehrlich? Natürlich habe ich als Autor noch eine andere Sicht auf dieses Thema, aber es geht mir auf die Nerven. Wirklich! Ich würde meine Protagonistin zwar nicht zu der „schwachen“ Sorte zählen – ganz und gar nicht – aber ja auch mich ermüdet dieses Thema (auch als Leserin). Und ich komme nicht umhin, mich ständig wieder zu fragen, wo diese extrem starken Frauen sind. Also im echten Leben. Wenn man nach den Artikeln und Rezensionen geht, dürfte es eigentlich keine einzige schwache Frau auf dieser Welt geben. Denn Bücher sollen ja realistisch sein und den Lesern (vor allem den jungen) kein falsches Bild vermitteln. Aber worin genau besteht dieses falsche Bild? Ein paar Beispiele, aus Artikeln.

 

Die naive schüchterne Protagonistin, die hin und weg von einem Kerl ist, ist – wer hätte das gedacht? – ein falsches Vorbild. Danke an all diejenigen, die das geschrieben haben, denn ihr habt soeben einem sehr großen Prozentsatz der weiblichen Bevölkerung ihre Vorbildfunktion abgesprochen. Übrigens sind darunter auch Mütter. Leider sind sie keine Vorbilder für ihre Töchter.

 

Aber nein, wir sind hier bei Büchern, die unrealistisch sind. Ich frage mich, wie ein realistisches Buch mit einer starken Protagonistin auszusehen hat. Zwei Dinge sind mir da vor allem aufgefallen.

1. Sie dürfen keinen Kerl anschmachten,

2. Sie dürfen sich nicht ständig von ihm retten lassen.

Da frage ich mich, wie oft die Kritiker eigentlich schon gekreischt haben, wenn eine Spinne in ihrer Wohnung war und sie ihren Freund/Papa/Bruder zur Hilfe gerufen haben. Wie oft sie sich eigentlich die Kästen nach Hause tragen lassen. Wie oft sie sich gerne die Tür aufhalten lassen. Wie oft sie sich schon haben einladen lassen. Wie oft sie – verliebt – waren und deshalb in einen leichten Schmacht-Modus verfallen sind. Und meinetwegen gibt es Ausnahmen, ja. Nicht alle Menschen sind gleich. Aber zum Thema Bad Boy - Hand aufs Herz -, wie viele von uns haben schon mal auf eine dumme Nachricht gewartet und sehnsüchtig vor dem Handy gesessen? Wie viele haben schon mal seine dummen Sprüche überhört, weil wir nicht nur eine rosa-rote Brille aufhatten, sondern offensichtlich auch quietschpinke Plüsch-Ohrenschoner?

 

Und ja, es gibt Mädchen die nicht so sind. Aber haben die anderen deshalb keine Berechtigung es genau SO zu machen? Und vor allem… Warum haben es dann Protagonistinnen nicht und gelten plötzlich als unauthentisch, naiv und als schlechtes Vorbild? Es ist die Wahrheit. Diese Frauen – in den Büchern – sind echt. Genauso wie die gemeinen Kerle.

 

Ich fände es schlimmer, wenn jeder Protagonist der liebe Schwache ist. DAS würde ein falsches Bild vermitteln – seien wir ehrlich und gerecht: Es gibt sie. Aber selten.

 

Und mit Sicherheit finden diejenigen, die sie sich sooo sehr wünschen, auch diese Kerle, zusammen mit starken Frauen in einem Buch.

 

Ich habe mir mal zwei Buchreihen herausgesucht, an denen ich gerne beschreiben würde, wie ich die Charaktere, vor allem die weiblichen Protagonistinnen, wahrgenommen habe.

 

Zum einen haben wir Katniss aus die Tribute von Panem, zum anderen America aus der Selection-Reihe.

 

Katniss ist von Anfang an (meiner Meinung nach) eine ziemlich starke Person. Sie muss für ihre Familie sorgen und schließlich sogar in einen Wettbewerb um Leben und Tod ziehen, um ihre Schwester zu beschützen. Ich mag Katniss. Ich hatte zwar Schwierigkeiten, mit ihrer teils „gefühlskalten“ Art umzugehen, vor allem was die Jungs betrifft, aber sie hat immer echt auf mich gewirkt. Und das ist es doch, worum es geht, oder? Sie ist stark – manchmal aber auch schwach – vor allem in Bezug auf Gefühle. Sie schmachtet nicht, was wahrscheinlich einigen der oben genannten Kritiker gefallen wird – mir allerdings schmachtet sie etwas zu wenig. Es ist wie so oft… Geschmackssache. Trotzdem hat sie ihre Berechtigung und ist meiner Meinung nach authentisch.

 

America würde ich anfangs eher als schwach bezeichnen, obwohl hier versucht wird, das Bild einer starken Protagonistin einzubrennen, die sich gegen alle Regeln auflehnt und einen Mann liebt, den sie nicht lieben soll. In allem, was America tut – wie sich ihre Gefühle wandeln – ob sie naiv, stark oder verloren ist – ist sie authentisch. Auch wenn ich nicht alles nachvollziehen kann. Aber mal ehrlich – manchmal kann ich nicht einmal mich selbst nachvollziehen. Wie kann ich dann erwarten, dass ich es bei einer Protagonistin – mit einem eigenen Kopf und Charakter – kann?

 

Ich glaube, stark ist etwas anderes, als immer nur alleine bestehen zu können. Stark ist auch, Hilfe anzunehmen. Zu lieben oder eben nicht zu lieben. Für mich ist jeder einzelne Charakter stark, der seine Geschichte erzählt. Denn wer sollte sich anmaßen, Frauen als schwach zu bezeichnen, nur weil sie lieben oder gerettet werden müssen?

 

Was für ein Bild tragen wir nach draußen? Tragen all diese Bücher nach draußen? Bestimmt nicht, dass es okay ist, sich von Männern scheiße behandeln zu lassen oder ein Mäuschen zu sein. Nein. Viel eher zeigen sie, wie stark jeder Einzelne von uns sein kann. Wie stark auch Mädchen sein können, die schüchtern, ängstlich und eben nicht so schlagfertig sind. Andererseits zeigen sie, dass auch starke Frauen manchmal Hilfe brauchen. Dass sie sich von Zeit zu Zeit verloren fühlen und jemand anderen brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen.

 

Das sind Vorbilder für mich. Keine Frauen, die keine anderen Menschen in ihrem Leben brauchen und alles alleine schaffen.

 

Sondern Frauen wie du und ich.

 

Also viel Spaß im Garten euch allen. Ich bleibe gemütlich auf meiner Couch liegen und lese weiter. 😉

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Kommentare: 1
  • #1

    Lilly London (Donnerstag, 22 März 2018 09:47)

    Schöner Artikel, Ich bin selbst Bloggerin und beende gerade mein Debüt, daher habe ich die Diskussion auch schon mitbekommen und es nervt mich. Mal abgesehen davon ob die Figur realitätsnah ist oder nicht, warum muss jede Prota in irgendein Schema gepresst werden. Menschen sind verschieden und auch Protas sollten es sein dürfen. Ob ich eine Prota mag, muss ich als Leser immer für mich selbst entscheiden, Als Autor wird man es nie schaffen jeden einzelnen glücklich zu machen. Aber ich finde es bedenklich wenn quasi kritisiert wird, das die Prota nicht dem aktuellen Stereotyp entspricht.

    Genau so mühsam ist die moralische Diskussion über z.B. New Adult oder Dark Romance Bücher, die ja auch ein falsches Bild vermitteln. Ernsthaft? Sind wir unfähig Fiktion von Realität zu unterscheiden? Wenn ich Bücher über Agenten lese, laufe ich dann auch mit einer Knarre rum und prüfe jeden Raum auf Fluchtmöglichkeiten?
    Kann ich nicht mehr rechnen, wenn ich Pippi Langstrumpf lese?

    Am schlimmsten finde ich dann noch, wenn Rezensionen oder Kritiken einfach unkonstruktiv und beleidigend vorgebracht werden.
    Aber leider ist es so, dass die Leute eher auf einen Verriss anspringen als auf eine Lobeshymne. Warum? Keine Ahnung, vielleicht gönnen sie einfach niemanden den Erfolg.